Hinweis: Von dieser Reise gibt es ein wunderbares einstündiges DVD-Video. Wenn man Dietmar freundlich fragt, könnte ich mir vorstellen, dass man eine Kopie davon bekommt.
Reiten im Radler- und Wintersportgebiet – Herausforderung pur!
Dieses Jahr eroberten wir die französischen Alpen
Im Juli 2010 war es wieder soweit: das alle 2 Jahre stattfindende Equirando wurde kürzlich in Vizille, Nähe Grenoble ausgetragen. Vier Reiter unserer Rötelbergranch, Christine, Angie und ihre 9-Jährige Tochter Sophie und Nathalie waren mit von der Partie. Wir legten in 5 Reittagen, die uns durch die französischen Alpen führte, rund 100 km und 2500 Höhenmeter zurück. In Vizille feierten wir dann drei Tage mit 800 anderen Reitern und deren Begleitern aus Belgien, Italien, der Schweiz und natürlich Frankreich. Höhepunkt der Reitsportveranstaltung ist traditionell der Umzug durch die Feststadt. Wir und unsere Betreuer vertraten Bayern neben sechs anderen deutschen Reitern stolz mit der Landesfahne in Dirndl und Lederhose.
2008 fand das Equirando in Châteaubriant, Departement Pays de la Loire, in der Nähe des Atlantiks statt. Ganz im Gegensatz zum relativ flachen Gelände dort, warteten auf uns in den französischen Alpen ganz andere Herausforderungen. Pässe, Schluchten, steile Bergpfade oft mit steinigem, losem Untergrund mussten gemeistert werden. Außerdem gibt es in dem, zu den am dünnsten besiedelten Regionen Frankreichs gehörendem Gebiet kaum Schutzhütten, geschweige denn bewirtschaftete Unterkünfte für den Notfall. Auch Wasser bzw. Tränkstellen für die Pferde findet man nur selten. Die Teilnahme am Equirando und der geforderte 100 km Ritt benötigen im Vorfeld eine akribische Planung. Strecken mit Höhenprofilen, Wanderreitstationen bzw. Unterkünfte, Ausrüstung, Begleiter, Impfungen für die Pferde, wer sich um die zu Hause gebliebenen Vierbeiner kümmert, alles muss genau abgestimmt sein, damit so ein anspruchsvoller Ritt überhaupt durchgeführt werden kann. Nicht zuletzt musste für jeden Reiter das passende Pferd gefunden und zusammen entsprechend trainiert werden. Deshalb haben wir mit den ersten Planungen bereits im November 2009 angefangen. Zu diesem Zeitpunkt waren noch sechs Reiter für die Frankreichreise vorgesehen: neben Christine und Dietmar mit Plainsman und Csaba (zwei 9 und 12jährige Traberwallache) waren noch Marina mit Fedora (13jähriger Traberstute), die 9jährige Sophie mit Vittoria (9jähriger Bardigiano-Stute), ihre Mutter Angie mit Giardino (11jähriger Traberwallach) sowie Nathalie mit Nicolas (17jähriger Traberwallach) im Team vorgesehen. Letztlich musste Dietmar leider aus dringenden beruflichen Gründen zu Hause bleiben. Auch bei Marina kam kurz vor Abreise noch ein Krankheitsfall in der Familie dazwischen. Ebenso kurzfristig mussten ausgerechnet die Equirando-erfahrenen Betreuer Monika und Rainer absagen; krankheitsbedingt mussten auch sie die Segel streichen. Als Betreuer blieben nur noch unser Augsburger Freund Wolfi, Angies Mann Bernd mit der kleinen Carolin, sowie Nathalies Mutter und ihre Tante. Von all diesen Umständen ließen wir verbliebenen Reiter uns aber nicht beirren und starteten Ende Juli in das 10 Tage dauernde Abenteuer französische Alpen. Unsere Sabine kümmerte sich während dieser Zeit liebevoll und zuverlässig um die zu Hause gebliebenen Vierbeiner.
Als Ziel- bzw. Reitgebiet hatten wir uns den Vercors ausgesucht.
Der Vercors ist ein durch tiefe Täler begrenzter Gebirgsstock im äußersten Westen der französischen Alpen. Er hat eine Ausdehnung von etwa 30 mal 40 Kilometer und mehrere Zweitausender (Gipfelhöhen bis zu 2350 m). Da er an allen Seiten schroff ansteigt, konnte er erst im 20. Jahrhundert für den Straßenverkehr zugänglich gemacht werden. Aufgrund der eingeschränkten Nutzbarkeit befindet sich im Vercors das mit 170 Quadratkilometern größte Naturschutzgebiet Frankreichs, die Réserve naturelle des Hauts plateaux du Vercors mit Hochwiesen, Kalkplateaus und Steilhängen. Das Naturschutzgebiet ist größtenteils ohne Wege, außerdem gibt es keine festen, dauerhaften Gebäude in diesem Gebiet, so dass es Besuchern nur schwer erschließbar ist. So wird der Tourismus aus dem Naturschutzgebiet weitgehend herausgehalten und spielt sich im übrigen Massiv ab.
In diesem Karstgebirge herrscht ständig Wasserknappheit, es gibt nur wenige Wasserstellen an denen Mensch und Tier unterwegs ihren Durst löschen können.
Im Zweiten Weltkrieg war der Vercors ein wichtiges Zentrum der Résistance, als Rückzugs-, Ausbildungs-, Lazarett- und Versorgungsgebiet
Der nördliche Teil des Vercors-Gebirge war während der Olympischen Winterspiele 1968 Austragungsort zahlreicher sportlicher Wettbewerbe. Zu diesem Zweck wurden die Zufahrtsstraßen ausgebaut und neue Sportanlagen wie Skisprungschanzen und Rodelbahn errichtet.
Ca. 1 Woche bevor wir dieses Gebiet eroberten, arbeiteten sich die Radrennfahrer der Tour de France durch dieses Gebiet. Während ihrer Tour durch den Vercors trafen wir unterwegs auch immer wieder auf Rennfahrer und Mountainbiker.
Am frühen Morgen des 17. Juli starteten wir mit unseren 4 Pferden die Anfahrt ins Abenteuer französischen Alpen. Ein Teil war bereits aufgebrochen und man traf sich an der ersten Zwischenstation im Elsass zum Frühstück und zu einer kleinen Rast. Am Sonntag ging es dann gemeinschaftlich weiter bis zur ersten Reitetappe im Vercors. Nach insgesamt zweimal 8 Stunden Fahrt kamen Reiter, Begleiter, sowie Pferde gut in der, auf 900 Höhenmeter liegenden Unterkunft „Les Fauries“ (Nähe Ortschaft Le Faz), einem renovierten Bauernhaus mit Gästezimmern und Bewirtung an. Der Empfang war herzlich – die Dame des Hauses sprach sogar hervorragend Deutsch -, die Pferde konnten sich auf der Weide von der langen Fahrt erholen und auch wir Zweibeiner fanden nach einem regionalen Abendessen, bestehend aus Gemüseterrine, Lamm in Zitronensoße mit Gratin dauphinois, Fromage blanc und selbst gemachtem Orangenwein, ein weiches Bett vor.
Die Erholung von der anstrengenden Anreise war auch dringend nötig, da am nächsten Tag bereits ca. 15 km auf unbekanntem Terrain zurückzulegen waren. Nach einem typisch französischen Frühstück wurden die Pferde vorbereitet, um den ersten Ritt anzugehen. Beeindruckend waren sogleich die breiten, übersichtlichen Feldwege über weite Bergweiden mit spektakulären Ausblicken ins Tal und auf den, dem Département namensgebenden Fluss Isère, wie auch schmale und steinige Waldpfade, die uns bergauf oder bergab führten. Die Navigation mit GPS verlief problemlos, einerseits durch die Vorarbeit zu Hause, andererseits auch durch die sehr gute Beschilderung vor Ort. Sophie lernte erste Hindernisse beim Wanderreiten kennen, wie zwei sehr schmale Gatter, durch die wir unsere Pferde über eine Kuhweide führen und dabei sogar die Packtaschen vom Sattel abnehmen mussten, um durchzupassen. Nach etwa 5 Stunden kamen wir in der kleinen Ortschaft Malleval bzw. an der zweiten Unterkunft, einer Auberge mit Unterbringung im Gemeinschaftsschlafsaal an. Nachdem die Pferde versorgt waren, gab es dann am Abend auch für uns Reiter und unsere Crew eine kleine Stärkung und wir schlossen Bekanntschaft mit anderen Wanderreitern, die ebenfalls nach Vizille unterwegs waren.
Der zweite Reittag brachte mit etwa 26 km und 1300 Hm die längste und reiterlich anspruchsvollste Strecke. Wir nahmen sie mit gebührendem Respekt und entsprechender Vorsicht in Angriff. Ein erster steiler und schwieriger Anstieg zum „Col de Neurre“ auf über 1200 Meter wurde nötig, da uns von der ursprünglich geplanten Strecke durch den „Canyon des Ecouges“ und den zugehörigen Tunnel abgeraten wurde. Dieser Tunnel wurde erst vor einigen Jahren gebaut, da die ursprüngliche Straße durch Steinschlag verschüttet und nicht mehr befahrbar gemacht wurde. Schon zu Hause war uns bekannt, dass der Tunnel im Winter mit Geröll verschüttet worden war. Es wurde aber auf Nachfrage beim GTV (ähnlich Alpenverein) versichert, dass dies bis zum Sommer behoben sei. Erst vor Ort erfuhren wir dann, dass der Tunnel nur einspurig angelegt, aber beidseitig befahren und zudem schlecht beleuchtet und relativ lang ist. Dies erschien zu gefährlich und so wich man über den „Col de Neurre“ aus. Aber auch hier war Durchhaltevermögen gefragt. Da der geröllige, steile Pfad sehr schmal und am Abgrund entlang verlief, führten wir unsere Pferde den größten Teil des Anstiegs (für die 9jährige Sophie war dieser Streckenabschnitt zu schwierig, sie wurde zuvor bei den Betreuern abgeliefert und stieß später wieder zu uns Reitern). Die Schwierigkeit bestand darin, mit den Pferden Schritt zu halten. Diese benötigen einigen Schwung um rauf zu kommen, man versucht einfach irgendwie dran zu bleiben, auch wenn die Muskeln brennen wie Feuer. Alles verlief gut und nach einer kurzen Verschnaufpause setzten wir unseren Ritt in Richtung des zweiten Anstiegs fort, dem „Pas de Pierre Taillée“, der auf über 1600 Höhenmeter hinaufführte. Laut Topo-guide mussten am steilsten Stück 200 Hm auf 1000 m überwunden werden – von einer gleichmäßigen Steigung von 20% konnte hierbei allerdings nicht ausgegangen werden. Bei einem Bauernhaus mit Tränke für die Pferde wurde eine kleine Rast eingelegt. Dort trafen wir auf eine kleine Wandergruppe, die gerade den Pass hinter sich gebracht hatte. In einer kurzen Unterhaltung erfuhren wir, dass ein Hinweisschild stark vom überqueren des Passes zu Pferd abrät. Außerdem beschrieben die Wanderer den Weg als sehr schmal, äußerst steil mit Spalten im Boden (als Begrenzung für die freilaufenden Kühe) und ohne Seitenabsicherung. Nach gemeinschaftlicher Beratschlagung beschlossen wir also umzukehren, den gefährlichen Pass nicht zu beschreiten und uns lieber von unseren Betreuern an einem weiter unten gelegenen Parkplatz (am Col de Romeyer) mit den Pferdehängern abholen zu lassen. Falscher Stolz ist in solchen Situationen vollkommen fehl am Platz. Man muss die Situation objektiv abschätzen, im Notfall einen Plan B parat haben und immer die sicherere Alternative wählen, vor allem wenn man in den Bergen unterwegs ist. In der dritten Unterkunft „Refuge de Gève“ (in der Nähe der Biathlonstation und weit ab von der nächsten Ortschaft) angekommen, trafen wir auch die französischen Wanderreiter des Vortags wieder. Diese erzählten von ihrem Ritt: eine kleine Gruppe ließ ihre Pferde alleine den „Pas de Pierre Taillée“ hinaufklettern. Oben fing dann ein Teil der Reiter diese wieder ein. Ein Anderer überquerte reitend und alleine den „Pas de Pierre Taillée“ und bestätigte, dass dies nur machbar wäre, wenn man bereits länger in den Bergen unterwegs sei und sich die Pferde an die anspruchsvollen Anstiege auf den Geröllpfaden gewöhnt hätten. Alles andere sei grob fahrlässig und gefährlich. Die anderen beiden Reiter dieser Gruppe beschritten vorsichtshalber einen leichter eingeschätzten Pass, der in unregelmäßigen Gesteinstreppen über den Berg führte. Trotz aller Vorsicht stürzte eines ihrer Pferde und verletzte sich an den Vorderbeinen, so dass die beiden Reiter 20 Minuten in der Steillage stehen und ausruhen mussten, bis die Stute sich beruhigte und wieder zu Kräften kam.
Ein solches Ereignis beweist, dass man in den Bergen nichts auf die leichte Schulter nehmen darf und lieber einen Schritt zurückgeht, als einen zu weit. Nach diesen Grenzerfahrungen beratschlagten wir uns nach einem schmackhaften Abendessen – Salatplatte mit allerlei Kräutern, Schweineschulter in Heu gegart und Heidelbeertarte – mit Hilfe des Herbergsvaters über die nächste Etappe und ließen uns den Wegverlauf genau erklären, um möglichen Überraschungen vorzubeugen.
Nach dem eher einsamen und schwierigen Gelände der 2. Etappe stand so die ca. 24 km lange, 3. Wegstrecke bereits unter einem guten Stern und verlief auch einwandfrei. Die erste Hälfte ging auf breiten Langlaufloipen bergauf und bergab. Dort begegnete man an Sesselliften vorbei auch vielen Mountainbikern, Wanderern und sogar einer von einem Packesel begleiteten Familie. Im zweiten Streckenabschnitt, oben am Pas de Tracollet (über 1600 m) trafen wir eine große Gruppe von etwa 20 Wanderreitern aus der Schweiz, die bereits seit 8 Tagen unterwegs waren und sich ebenfalls auf dem Weg nach Vizille befanden. Weiter ging es ein kleines Wegstück zusammen durch Kuhweiden, auf einem schmalen Pfad durch ein von Stacheldraht umgebenem Gatter den Berg hinauf. Im weiteren Verlauf führte die Strecke in Serpentinen auf steinigen Waldwegen bergab, durch die Bergstadt Lans-en-Vercors bis in die nächste Unterkunft, einem Bauernhof mit Geflügelzucht, Streichelzoo, Spielplatz, Minigolf und Pool. Von dort aus war für den Folgetag ein etwa 20 km langer Rundritt in dem Gelände um die Station herum geplant, da wir zwei Nächte auf dem idyllischen Bauernhof untergebracht waren.
Für unsere Begleiter bestand an diesem Tag die Möglichkeit, die „Grottes de Choranches“, die größte unterirdische Tropfsteinhöhle des Vercors, zu besichtigen. In dieser findet man bis zu 15 Meter hohe Säle, Versteinerungen und Tropfsteingebilde. Die Höhle beherbergt einen unterirdischen See von etwa 50 Meter Länge und bis zu 8 Metern Tiefe.
Am Freitag war es dann soweit: Mit Fahrzeugen und Pferdehängern verließen wir das Massiv des Vercors. So umgingen wir die grauen und zum reiten wenig reizvollen Teerstraßen der Grenobler Vorstädte, um danach die letzten 15 km nach Vizille per Pferd anzupacken. Dort ging es auf Feldwegen zwischen Maisfeldern und Wäldern entlang bis nach Vizille. Vor der Stadt durchquerten wir einen, in den Fels geschlagenen Tunnel, um ins Stadtzentrum, dem großen Treffpunkt zu gelangen. Durch eine große Menschentraube und ein großes rotes Tor ging es dann hindurch zum Schloss zur Tierarztkontrolle. Schon viele weitere Gruppen aus unterschiedlichen Ländern und französischen Regionen warteten dort mit ihren Pferden auf den Gesundheitscheck. Die Rötelberger Pferde wurden anhand des Pferdepasses identifiziert, ihre Impfungen und ihr Gesundheitszustand kontrolliert und anschließend von den Tierärzten mit grünen Bändern um die Fesseln als zugelassen markiert. Ein Vertreter der Equipe durfte am Empfang die Essens- und Veranstaltungsmarken, sowie Gutscheine für Heu und Stroh, Trinkbecher und einen Geschenkbon abholen und dann ging es endlich aufs Festgelände, welches rund um das Schloss von Vizille aufgebaut war. Freiwillige Helfer, die den ganzen Tag auf ihren Fahrrädern unterwegs und durch ihre grünen Helfer-T-Shirts gut erkennbar waren, wiesen die Equirandoteilnehmer ein und begleiteten auch uns zu den reservierten Plätzen für die Pferde. Nach der Versorgung der Pferde mit Heu und Wasser konnten Geschenke für die Teilnehmer des Equirando abgeholt werden. Es gab für jedes Pferd einen Eimer, Becherhalter für die Reiter und Begleiter, Plaketten mit dem Logo des Equirandos, Programmhefte, Schlüsselbänder des französischen Nationalgestüts, eine Menge Walnüsse, für die diese Region bekannt ist und sogar ein paar Miniaturfläschchen mit Likör aus der „Chartreuse-Kellerei“. Nach einem umfangreichen Abendessen im Festzelt, mitten unter den anderen Teilnehmern, schlugen auch wir mit unseren Betreuern unser Lager auf. Eine Reiterin musste zur Aufsicht 2 Nächte direkt neben unseren Vierbeinern im Zelt aushalten. Es war nicht besonders bequem und wegen der Vorführungen und den vielen wiehernden Pferden auch ziemlich lange noch recht laut, aber der Rest der Mannschaft konnte sein Quartier auf dem etwa 5 Minuten entfernten Parkplatz des Equirandos mit Zelt, Bus und Wohnmobil aufschlagen.
Samstagvormittag wurden alle Equipes nochmal offiziell begrüßt. In diesem Rahmen überreichten wir Kelheimer die mitgebrachten Gastgeschenke. Neben Prospekten aus dem Landkreis Kelheim, Lebkuchenherzen und anderen Mitbringseln aus Bayern übergaben wir auch die Bierkrüge, die wir für diesen Anlass auf Anfrage vom Kelheimer Landrat erhalten hatten.
Um 14:30 Uhr stand dann der traditionelle und von allen Reitern mit großer Spannung erwartete Defilé (Umzug) durch Vizille auf dem Programm. Dieses Mal stand der Umzug unter dem Motto „Französische Revolution“ für die einheimischen und unter „Tracht“ für die ausländischen Reiter. Wir putzen unsere Pferde auf Hochglanz, schlüpften in Dirndl und Lederhose, hängten uns bunte Lebkuchenherzen um, schmückten den Bollerwagen für die kleinste Begleiterin Carolin (1 ¾ Jahre) mit weiß blauen Fähnchen, nahmen die Bayernfahne unter den Arm und machten uns auf den Weg zur Aufstellung. Wie immer führten die ausländischen Reiter in alphabethischer Reihenfolge den Umzug an. Danach folgten die Franzosen entsprechend ihrer Departements. Im Gegensatz zur Aufstellung in Châteaubriant, war diese wesentlich besser organisiert. Helfer mit Schildern wiesen auf einer großen Wiese die Reiter an den richtigen Platz. So entstand kein Durcheinander und alles klappte wie am Schnürchen. Pünktlich startete der Zug mit prächtig kostümierten Reitern und schön geschmückten Pferden und Kutschen. Man fühlte sich wirklich in die Zeit der französischen Revolution zurück versetzt. Zumal ganz Vizille schon seit Mittwoch dieses geschichtliche Ereignis mit entsprechenden Vorführungen und Ständen in der Stadt feierte. Überall liefen Uniformierte, herrschaftlich gekleidete Edelleute u. Frauen in Ball- und Bauernkleidern herum. Während des Umzugs wurde nochmals jedes Team unter großem Applaus vorgestellt. Es war eine fröhliche, ausgelassene Atmosphäre. Unsere Pferde haben auch hier gut mitgemacht und sich weder von dem lauten Getrommel, der Musik, den vielen klatschenden Zuschauern oder den wehenden Fahnen aus der Ruhe bringen lassen.
Nach dem Umzug stand schon das nächste Ereignis auf dem Programm: die Vorführung des französischen Reitstars Jean Marc Imbert, der sein Publikum mit unglaublichen Reitkünsten begeisterte. Ohne Sattel und Zaumzeug, also mit völlig freien Pferden zeigte er seine Darbietungen. Unter tosendem Applaus führte er ebenfalls mit freien Pferden die ungarische Post im Galopp vor, ein Kunststück das man nicht alle Tage zu sehen bekommt.
Aber auch das war nicht das letzte was wir an diesem Tag erlebten. Abends wurden wir mit dem traditionellen Galadiner königlich bewirtet; es gab regionale Spezialitäten wie Pastete und Gratin du Dauphinois mit Putenbrust, Käse und Walnußtörtchen, daneben Wein, viel Stimmung im Festzelt mit Gesang und Tanz auf den Bänken. Das Sportkomittee stellte alle Equipes nochmals vor und ehrte diverse Reiter und Kutschfahrer, so u.a. den mit 87 Jahren ältesten Teilnehmer M. Paul Pèrier, den 5jährigen und damit jüngsten Teilnehmer Léon Dagot, Francois Leveillé, der mit seinen beiden Pferden 1800 km u.a. durch die Pyrenäen hinter sich brachte und die mit 1000 zurückgelegten Kilometern längste Kutschfahrt von der Normandie zum Equirando. Zu guter Letzt gab es noch ein prunkvolles Open-Air Theaterstück mit Pferden zur französischen Revolution.
Kaum erholt von diesem erlebnisreichen Tag brachen wir am Sonntagvormittag zur, vom Sportkomittee organisierten Zugfahrt Chemin de Fer de La Mure mit spektakulären Ausblicken auf die Schluchten des Drac und den Stausee auf. Die Chemin de Fer de La Mure ist eine elektrisch betriebene Eisenbahnstrecke südlich von Grenoble. Heute wird die Linie als Museumsbahn betrieben. Die Strecke ist insgesamt 30 km lang, führt durch eine felsige Gebirgslandschaft und arbeitet sich mit Hilfe von 143 Brücken und Tunnels vom niedrig gelegenen Tal des Drac auf eine Hochebene hinauf. Die Bahn wurde in den Jahren 1882 bis 1886 erbaut, was enorme Anstrengungen erforderte. Sogar die französische Armee musste eingeschaltet werden, um mit Hilfe von Granaten eine Trasse in die teils senkrechten Felswände der Schluchten des Drac zu sprengen. Heutzutage ziehen die Elektrolokomotiven ihre Passagierzüge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in eine andere Epoche, während sie eine phantastische Landschaft durchqueren.
Sonntagnachmittag gab es noch diverse Wettbewerbe für Pferd und Reiter, die wir Rötelberger aber zugunsten kultureller Angebote, wie dem Museum zur französischen Revolution im Schloss von Vizille, ausließen. Am Abend verabschiedete sich das Sportkomittee mit einem weiteren opulenten Essen von allen Teilnehmern, verriet den nächsten Austragungsort des Equirandos 2012 (Poitiers im Département Vienne, Region Poitou-Charentes) und wünschte allen eine gute Heimreise.
Mit vielen schönen Eindrücken und der Überzeugung in 2012 wieder mit dabei zu sein, machte sich unser Team wehmütig auf den Weg nach Hause.
Unsere Pferde haben bewiesen, dass auf sie absolut Verlass ist. Es hat alles gut geklappt, es war sehr anstrengend, aber ein außergewöhnliches und schönes Erlebnis. Und: „nach dem Equirando ist auch wieder vor dem Equirando!