Der Huf

Beschleunigungsbetrachtungen an der Hornkapsel
Durchgeführt wurden die Beschleunigungsuntersuchungen von der Universität Utrecht.

Verwendete Hufbeschläge:

Hippoflex-Kunstsoffbeschlag (Firma CERA, Kaufbeuren)
Der Kunststoffhufbeschlag (Gewicht 166 g, Dicke 14 mm) ist ein flexibler Polyurethan-Beschlag. Der Grundgedanke bei Form und System dieses Beschlages ist, den Huf ähnlich dem Barhufläufer zu belasten. Das heißt, die drei Teile Tragwand, Sohle und Strahl werden als tragende Elemente herangezogen. Die Beschläge sind mit 3 Aufzügen (Kappen) versehen, um die auf die Nägel wirkenden Kräfte zu reduzieren. 

Traditioneller Eisenbeschlag ((Firma MUSTAD-Industrie-Eisen, maschinell vorbereitet, wie üblicherweise verwendet) Gewicht 475,3 – 520,30 g, Dicke 10mm 

Keinen Hufbeschlag (Barhuf)
Hierbei trabt das Pferd ohne Beschlag, wie es sich natürlicherweise bewegen würde. 

Versuchsaufbau

Es wurden 12 untersucht. Wesentlichster Faktor bei der Pferdeauswahl war der, dass sich die Pferde in der Art der Bewegung sehr ähneln mussten.
Nach dem Vorbereiten der Hufe wurde je nach Messabschnitt, ob für Eisen-, Barhuf- oder Kunststofflauf, eine Aluminiumplatte an einer definierten Stelle des linken Vorderhufes angebracht, die Platte, an der später die Messeinheit befestigt wurde. Der Beschleunigungs-aufnehmer verfügt über drei Messpunkte, die die Beschleunigungen in horizontaler (x), vertikaler (y), und diagonaler (z) Richtung misst. Für die Untersuchungen wurden nur die Werte in x- und y-Richtung separat erfasst und dargestellt. 
Am Bildschirm waren die Beschleunigungskurven in den drei beschriebenen Richtungen x, y, und z sichtbar und wurden in der Beschleunigungseinheit m/s² angegeben. Die geforderte Messdistanz betrug 10 m, die Strecke war im Trab mit 3,5 m/s zu überwinden. 
Es wurden Messungen mit 12 Pferden unterschiedlichen Alters durchgeführt. Jedes Pferd wurde mit jeder der drei Beschlagsvarianten gemessen. Es mussten von jedem Pferd pro Beschlagsart mindestens 6 korrekte Messungen vorliegen. 
Alle Messungen wurden nacheinander durchgeführt, d.h. jedes Pferd durchlief die Messstrecke nacheinander mit allen drei Beschlagvarianten.

Ergebnisse

Es wurden für die Auswertung nur die Maximalbeschleunigungen in der Vertikalen (x) und Horizontalen (y) herangezogen, da sie das anschaulichste Ergebnis über auftretende Stöße und das Gleitverhalten liefern. Die drei unterschiedlichen Hufbeschläge wurden varianzanalytisch unter Berücksichtigung wiederholter Messungen verglichen. „Hufbeschlag“ und „Messungen“ waren abhängige Variable. 
In Tabelle 1 sind die Maximalbeschleunigungsamplituden in der Vertikalen angegeben, d.h. dieser Wert beschreibt die Maximalstöße, die das Pferd direkt vertikal auf die Hornkapsel erfährt. 
Der paarweise Vergleich der drei unterschiedlichen Hufbeschläge zeigt, dass die Mittelwerte der maximalen vertikalen Beschleunigung beim Kunststoffhufbeschlag bedeutend niedriger liegt, als dies bei einem traditionell geschmiedeten Hufeisen der Fall ist. Verglichen mit dem unbeschlagenem Huf, ist die maximale vertikale Beschleunigung beim Kunststoffbeschlag immer noch deutlich niedriger. Daraus folgt, dass bei den verwendeten Kunststoffhufbe-schlägen die Amplitude der vertikalen Beschleunigung bedeutend niedriger ist als beim Barhuf und bei traditionell mit Eisen beschlagenen Hufen.

Tabelle 1: Mittelwerte der Beschleunigungsamplituden in der Vertikalen

BeschlagMittelwertStandardabweichungWertebereich
Stahl  688 m/s2  293 266 – 1433 m/s2 
Kunststoff 343 m/s2  251 51 – 1461 m/s2  
Barhuf 504 m/s2  219 163 – 1149 m/s2  

In der Tabelle 2 werden die Maximalbeschleunigungsamplituden in der Horizontalen dargestellt, die horizontalen Beschleunigungen stellen das Gleitverhalten der einzelnen Beschlagsvarianten dar. Das bedeutet, je niedriger der Beschleunigungswert ist, desto mehr gleitet der Huf auf Asphalt. Der paarweise Vergleich der drei unterschiedlichen Hufbeschläge zeigt, dass die Mittelwerte der maximalen horizontalen Beschleunigungen des Kunststoffhuf- beschlages verglichen mit den traditionellen Beschlägen wesentlich niedriger ist. Vergleicht man die bei Kunststoff auftretenden Maximalbeschleunigungen mit unbeschlagenen Hufen, so sind die auftretenden Maximalbeschleunigungen bei Kunststoff mit der Signifikanz von 0,002 immer noch deutlich geringer. Das bedeutet, dass bei Verwendung von Kunststoffhuf- beschlägen die am Huf auftretenden horizontalen Beschleunigungen deutlich niedriger sind als bei traditionellen hufeienbeschlagenen und unbeschlagenen Hufen.

Tabelle 2: Mittelwerte der Beschleunigungsamplituden in der Horizontalen

BeschlagMittelwertStandardabweichungWertebereich
Stahl  206 m/s2  7730 – 529 m/s2
Kunststoff 205 m/s2  63 
27 – 440 m/s2
Barhuf 202 m/s2  124 32 – 582 m/s2 

Diskussion der Ergebnisse

Nur wenige Untersuchungen an Pferden wurden mit Beschleunigungsaufnehmern durchge-führt, um den kinetischen Bewegungsablauf zu untersuchen. Die in Utrecht durchgeführte Untersuchung belegt, dass es möglich ist, die auftretenden Beschleunigungen an der Hornkapsel beim Auffußen während des Trabs sehr genau aufzuzeichnen. Die Gesundheits- schäden, verursacht durch ungedämpfte stoßartige Beanspruchung, könnten dann reduziert werden, wenn man auf Oberflächen reitet, die diese anfängliche stoßartige Beanspruchung es Hufes absorbiert. (BARREY et al., 1991, S. 106) Wenn man jedoch davon ausgehen muss, dass bei der Pferdenutzung in verschiedensten Bereichen nicht immer mit Bedingungen gerechnet werden kann, die für die Pferdegesundheit optimal sind, liegt der Gedanke nahe, das Stoßabsorptionsproblem über den Beschlag zu lösen. Das bedeutet, dass ein Kunststoffhufbeschlag sich gerade für Pferde eignet, die sich vermehrt auf harten und steinigen Böden bewegen. 
So liegt der Mittelwert der Maximalvertikalbeschleunigung beim mit Kunststoff beschlagenen Pferd auf Asphalt bei 343 m/s² (siehe Tab. 1). BARREY et al. (1991) ermittelte, dass ein auf Schotter trabendes, mit Eisen beschlagenes Pferd eine Beschleunigung von 372 m/s² auf die Hornkapsel erfährt. Das heißt, dass der verwendete Kunststoffhufbeschlag die am Huf auftretenden Beschleunigungen reduziert. Das mit Kunststoff beschlagene Pferd läuft somit auf Asphalt gleich komfortabel wie das mit Eisen beschlagene, auf dem doch weicheren Schottergeläuf trabende Pferd. (BARREY, 1991, S. 104-106) 
Dass die Wertdifferenz zwischen Kunststoff und Eisen sehr hoch sein würde, war zu erwarten. Was jedoch nicht erwartet wurde, ist die Tatsache, dass die Maximalbeschleunigungen beim unbeschlagenen Pferd höher liegen als bei den mit Kunststoff beschlagenen Pferden, wie im Vergleich der beiden Mittelwerte ersichtlich ist (siehe Tab. 1,2). 
So kann zu den Maximalbeschleunigungen in vertikaler Richtung (siehe Tab. 1) beurteilend festgestellt werden, dass der Eisenbeschlag die Belastungen auf die Gliedmaßen materialbedingt verstärkt. Der Kunststoffhufbeschlag hingegen absorbiert die beim Lauf auftretenden Stöße noch besser als ein unbeschlagenes, d.h. ein in seinem natürlichen Zustand befindliches Pferd. 
Die Ergebnisse in der Horizontalrichtung zeigen noch einen deutlicheren Unterschied zwischen den einzelnen Beschlagsvarianten (siehe Tab. 2). Die Horizontalbeschleunigung stellt im Prinzip das Gleitverhalten der verschiedenen Beschläge auf Asphalt dar. Wie aus der Tabelle 2 ersichtlich, liegen der Barhuf und er Eisenbeschlag wertmäßig gleich, d.h. auch das Gleitverhalten ist beim frisch mit Eisen beschlagenen Pferd nahezu identisch zum Barhuf. Der verwendete Kunststoffhufbeschlag gleitet kurz nach dem Beschlag auf Asphalt mehr als die beiden anderen Varianten. Es wird angenommen, dass dieser doch gravierende Unterschied beim Kunststoffhufbeschlag auf die spritzgusstechnisch nicht zu vermeidende Spritzhaut zurückzuführen ist, die nach kurzer Zeit jedoch abgelaufen ist. Beim Eisenbeschlag ist zu vermuten, dass kurz nach dem Beschlag das Pferd nur auf den über den Beschlag überstehen-den Nägeln läuft. Durch die so auftretende starke Punktbelastung gleitet der Huf weniger, als dies nach dem Ablaufen der Nägel der Fall wäre. Speziell für diesen Bereich sollen die Unter-suchungen in Utrecht noch fortgesetzt werden, um die an gestellten Überlegungen zu bestätigen oder zu widerlegen.
Die Gesundheitsschäden, verursacht durch die ungedämpfte stoßartige Beanspruchung, könnten verringert werden, wenn man einen Hufbeschlag wählt, der diese anfängliche stoßartige Beanspruchung des Hufes absorbiert. Wenn man die in der Studie ermittelten Ergebnisse mit den Erkenntnissen aus Laufschuhtests in der Humanmedizin vergleicht (ERSSON,1996, S.1), so ermöglicht die Dämpfung des Hufaufpralls mit einem elastischen Hufbeschlag und eine weiche Bahnoberfläche die Reduktion von Gesundheitsschäden. Auch könnten dadurch orthopädische Schäden durch Überbelastung der Hufbeine vermieden oder eingeschränkt werden. (BENOIT et al., 1993, S. 113)
Aus diesem Grund findet der Kunststoffhufbeschlag vermehrt Einsatz bei Distanz- und Fahr- pferden, die nutzungsbedingt viel Asphalt als Geläuf vorfinden. Diese Gruppe von Sportpferden kann somit die materialbedingten Vorteile des Kunststoffhufbeschlages am besten nutzen. Auch Pferde, die bereits unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen stehen wie Arthrosen und andere Gelenkerkrankungen, können von der beschriebenen Stoßdämpfung profitieren und so ihre Reitnutzung erhalten. Pferde, die meist auf weichen Untergründen bewegt werden, können die dämpfende Wirkung des Kunststoffs kaum nutzen. Für sie ist lediglich das geringere Gewicht ein Faktor, der sich positiv auf den Bewegungsapparat auswirkt. 
Die in Utrecht durchgeführte Studie zeigt, dass der verwendete Kunststoffhufbeschlag auftretende Stöße an der Hornkapsel reduziert. Es kann somit vermutet werden, dass bei der Verwendung eines Kunststoffhufbeschlages der Bewegungsapparat geschont und somit eine längere beschwerdefreie Nutzung des Pferdes wahrscheinlicher wird.

Wer es noch genauer nachlesen möchte und auch das dazugehörige Bildmateriel sehen möchte, der sollte die „DISTANZ AKTUELL“, Ausgabe III/2003, Seite 28-29 lesen, wo dieser Sachverhalt ungekürzt zu lesen ist. 

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