Wiedereinmal sitze ich vor meinem PC und wundere mich – eigentlich, zugegebenermaßen wundere ich mich nicht, ich ärgere mich!
Vor mir liegt die neueste Ausgabe der Apotheken Umschau vom 01.Juli 2006.
Nein, es plagt mich weder Demenz noch Inkontinenz, auch brauche ich kein Viagra und auch sonst fühle ich mich eigentlich rundum gesund!
Nachdem ich dann die zwei Seiten Inhaltsverzeichnis überfliege – dabei schon die ersten Anzeichen eines Hirnschlags in Verbindung mit einer Verstopfung in mir fühlen zu glaube, und dann noch diesen Cluster Kopfschmerz in mir aufsteigen spüre – finde ich auf Seite 64 in roten Lettern endlich das Richtige: Hoch zu Ross
„Aggressives Pferd“
Neugierig geworden, blättere ich auf Seite 64! Schon das erste kleine Bild rechts unten bestätigt meinen Verdacht: Hier war wieder ein Vollprofi am Werk!
Zitat: …während das Pferd (Anmerkung: es heißt Luise) misstrauisch und mit nachhinten gelegten Ohren in die Kamera äugt.
Nun man sieht Luise ihr Aggressionspotential auf diesem Bild förmlich an…..Pferde leiden!
Nun raffe ich mich auf, auch das restliche Konglomerat aus Unwissen, Halbwissen, Klischees und der letzten Portion Blödheit zu lesen.
Stark im Trend: Westernreiten! Unter dieser Überschrift bekomme ich dann einen Übelkeitsanfall. Wahrscheinlich ausgelöst durch diesen gemeinen Cluster-Kopfschmerz (S. 40) – oder war es doch der Artikel?
Ohne mit der Wimper zu zucken übernimmt unser reitender Schreiberling Klischees ohne Ende. Da man sich in der klassischen Reiterei ja ein gerüttelt Maß an Zeit nehmen muß um reiten zu lernen, zeigt unser Gesundheitsschreiber die Alternative!
Zitat: Schnelle Erfolge, weniger Aufwand und trotzdem viel Spaß versprechen im Vergleich zum klassischen englischen Reitstil alternative Reitweisen wie beispielsweise das derzeit beliebte Western- oder Wanderreiten.
Tja, ganz klar, kannst du gar nix und gehörst zur Frieden durch Leckerli-Fraktion, bist du Western- oder Wanderreiter – manche outen sich auch als Freizeitreiter!
Um bewußt Westernreiten oder Wanderreiten ausüben zu können, gehören Kenntnisse die gerade die englische (eigentlich deutsche) Reitweise übertreffen!
Also nix mit schnellem Erfolg und wenig Aufwand, wie es unser schreibender Pillendreher wider besserem Wissen behauptet.
Weiter geht es im Reigen der Schrecklichkeiten unter der Überschrift:
„Zeigen können wo es langgeht“
Unser Pferdespezialist vergaloppiert sich hier wiederrum in der Sache, das es gerade so raucht! Zitat: Auch die Pferdepflege steht im Reitkurs auf dem Programm: Auf- und Absatteln….oder das Pferd aus der Box holen, ohne dabei einen Huftritt zu kassieren.
Nun nach diesen Zeilen hat doch dann der Letzte kapiert, das ein Pferd eigentlich nur gefährlich ist. Horsemanship ade, das Pferd ist zu bezwingen, es ist nicht unser Partner, nein unser Feindbild das es zu beherrschen gilt!
Gehts noch! Seid Ihr noch zu retten?
Noch ein Beispiel aus diesem Geschreibsel gefällig?
Unter der Überschrift „Nicht ohne einen Reithelm“ gehts wieder rund.
Zitat: „Einen guten Reithelm nach TÜV-Standard sollte…„
Nun einen TÜV-Standard für Reithelme gibt es schlicht und ergreifend nicht! Ein Reithelm muß heute mindestens der BS EN 1384 :1997 entsprechen, noch besser der PAS 015!
Vom TÜV gibts bestenfalls das überstrapazierte G/S -Zeichen, das defenitiv nichts über die Qualität des Reithelms aussagt!
Und so geht es in diesem absolut ungenügend recherchierten Bericht tous jour weiter!
Warum ich diesen Artikel zum Mittelpunkt meiner Glosse mache?
Warum mich das übermaßen ärgert und sogar kränkt?
Weil hier wieder einmal ohne jeglichen Sachverstand Plattitüden über das Reiten verbreitet werden, die dazu führen das Pferde leiden müssen!
Es kann doch nicht sein, das Reiten als einen Massensport für jedermann darzustellen!
Nein, ein Pferd ist kein Sportgerät!
Nein, es ist nicht einfach Wander- oder Westernreiter zu werden!
Nein, es gehört sehr viel Zeit dazu das Pferd und die Reiterei zu verstehen
Genügt es nicht schon das es viele Pferde in Deutschland gibt, die eben durch solch verquere Anschauungen in engen Boxen auf luxuriösen(für die Kunden!) Reitställen dahinvegitieren?
Die mit Hilfszügel gegeiselt, irgendwelche Leute, die aufgrund solcher Artikel wie in der Apotheken Umschau geschrieben, glauben die Nordic-Walking-Stöcke gegen die Gerte tauschen zu müssen?
Nein, reiten darf nicht noch mehr zum Massensport verkommen!
Oder gibt es in 10 Jahren bei Aldi und Norma das Angebot der Woche in Form eines billigen Wanderreitpferdes analog der derzeit angebotenen Reitzubehörpalette?
Wird die Zukunft Pferde-Fabriken, also Reiterhöfe mit hunderten von Pferden für uns bereit halten, in denen kein Platz mehr für Individualismus und Enthusiasmus ist?
In der Halbwissen, wie eben in dem von mir kritisierten Artikel vorherrscht?
Nein, ich kann und will es nicht glauben, das kann es nicht sein!
Jeder der glaubt reiten zu wollen sollte sich im klaren darüber sein, das der Prozess Reiter zu werden unglaublich langwierig ist – und vor allem nie endet!
Alles andere ist gelogen! Wäre reiten das was uns die Pferde-Industrie vorgaukeln will, hätte Gottlieb Daimler das Auto nicht erfunden und wir würden heute noch unsere Tagesgeschäfte per Pferd erledigen.
Aber ein letztes mal zurück zu unserem Artikel „Hoch zu Ross“:
Ein Gutes hat dieser Artikel doch noch: Für den Fall, das alle Artikel dieses Hefts so ungenügend recherchiert und mit soviel inhaltlichen Entgleisungen gespickt sind, fühle ich mich plötzlich wieder kerngesund!
Dietmar Holzenbecher (sockE)