Kunststoffbeschläge

Vorwort

„Kunststoffbeschläge sind ‚Mist‘, das Pferd hat auf Strassen keine ‚Gleitphase‘, und überhaupt halten sie nicht so gut, außerdem…“
Haben Sie das auch schon mal gehört, als Sie ihren Schmied nach Kunststoffbeschlägen fragten?
Wir schon! 

Haben Sie Phillip Morris schon mal gefragt, ob Rauchen schädlich ist? Sinnlos, oder?

Und warum verlassen Sie sich ausgerechnet bei dem, was Ihnen am nächsten steht (ihrem Pferd, Ehegatten mal unberücksichtigt), ausgerechnet auf das Urteil derjenigen, die am meisten Geld mit Ihnen verdienen? 

Wer reitet? Der Schmied oder Sie?

Also wir reiten selbst und wir haben mit Kunststoffbeschlägen gute Erfahrungen gemacht! 
Auch dort gibt es ganz spezifische Probleme, wie überall, aber den Blödsinn, ein Pferd brauche eine Gleitphase beim Gang, entspräche der Aussage, als wenn Audi sagen würde: 
“ Unsere Autos rutschen serienmäßig zu 30% über die Strasse und die brauchen das auch!“

Oder machen Sie im Winter etwa Eisreiten, wegen der besseren Gleitphase…?

Übrigens, wir haben keinen Werbevertrag mit einem Beschlaghersteller….

Mit diesem Bericht erheben wir nicht den Anspuch alle Kunststoffhufbeschläge probiert zu haben. Auch leiten sich alle Ergebnisse die wir mit KHB haben einzig und allein aus unserer Praxis ab! Desweiteren übernehmen wir keinerlei Haftung für unsere Tips!

Über Kunststoffbeschläge ist schon viel geschrieben worden. Unser Bericht soll nicht eine neue Erfindung des Rades werden. Das heißt, daß alle grundsätzlichen Beschlagsregeln, Werkzeuge etc. nicht mehr explizit vorgestellt werden. Wer hier Interesse hat kann im Anhang die „Literaturquellen“ und ggf. in unserer Linkliste nachsehen. Empfehlen kann ich aus persönlicher Sicht den „Hufkurs für Reiter“ von Armin Kaspar.

Beschlagsmaterial das bisher probiert wurde

  • Marathons
  • Hippo-Tech
  • Panters (wird nicht mehr hergestellt)
  • Trotters Grip

Als Fazit dieser Langzeit-Test’s haben wir uns nun bis auf weiteres auf den Trotters Grip konzentriert. Die Paßform, Abriebfestigkeit, Gestaltfestigkeit und das Verschleißverhalten überzeugen. Beschlagsperioden von 8 – 12 Wochen sind theoretisch möglich! (Immer im Hinblick darauf, daß unsere Pferde im Reitbetrieb gehen!)

Bewertung nach Schulnotensystem (*werden nicht mehr produziert)

Der Beschlag

Wie schon Eingangs erwähnt, wird hier kein grundsätzlicher Beschlagkurs gegeben. Vielmehr möchte ich hier auf kunststoffspezifische Arbeitstechniken eingehen.Natürlich überschneiden sich hier manche Dinge

a) Vorbereitung

Beim Vorbereiten achte ich immer darauf, ja nicht zuviel an Strahl und Huf wegzunehmen. Das heißt: Den Strahl nur soweit zurückschneiden als unbedingt nötig! Sohle und Eckstreben bleiben annähernd unangetastet! Den Tragrand nehme ich auf ca. 4-6 mm zurück.

Der Huf bleibt weitgehenst unangetastet!

Als letztes gleiche ich Zehe und Seitenwände an den Tragrand an. Dadurch ergibt sich ein harmonisch aussehender Huf, der in seiner Struktur (form follows function) absolut gesund und stabil ist.

Keine Hauklinge, kein Schlagen! Modernes Elektrowerkzeug ermöglicht sanfteres Arbeiten für Mensch und Tier!
Steht ihr Pferd auch so gelassen da… (…wenn es beschlagen wird?)

Noch ein Hinweis zum Aufbrennen: Eine absolut plane Fläche erreiche ich mit Hilfe eines Einhand-Winkelschleifers (elektronische Drehzahlregelung), bestückt mit einer sogenannten Polierscheibe, Körnung ca. 40. Damit erledigt sich die Diskussion um gerade Flächen und aufbrennen. Gerade die Vorbereitung des Hufs ist mitunter die Gewähr für einen guten und für das Pferd „gesunden“ Beschlag.

Voraussetzung: Die Pferde wurden an elektrische Werkzeuge gewöhnt!

b) Beschlag

Nachdem ich ein –>Meßprotokoll erstellt habe, (die Gewähr, daß tatsächlich alles paßt) beginnt nun der eigentliche Beschlag.Zuerst zeichne ich die weiße Linie mit einem Edding oder ähnlichem Filzstift nach.

Keinen roten Stift nehmen! (Sonst gibt’s so seltsame Zeitgenossen, die behaupten, man habe den Huf bis auf’s Blut beschnitten!)

Dann richte ich den Beschlagsymentrisch zur Huflängsachse aus. Nun markiere ich mir 3 – 5 Punkte an der Sohle und am Beschlag. An der Position 2 des Beschlags markiere ich die ersten zwei Bohrlöcher. Nun den Beschlag nehmen und die zwei Löcher bohren.

Gut markieren! (Damit es nachher auch richtig passt!)

Anschließend gemäß der Markierungen auf den Huf legen und die ersten beiden Nägel setzen. Nochmals kontrollieren und die Nägel einschlagen. Fuß absetzen, nochmals kontrollieren.

Die ersten beiden Nägel werden gesetzt.

Wenn alles o.k. ist, die restlichen 4 Löcher am Eisen das ja schon angenagelt ist bohren.Dadurch ist ein Vernageln so gut wie ausgeschlossen, da die Löcher 100 % ig genau auf der weißen Linie sind. Nun die restlichen 4 Nägel setzen und einschlagen.

Bohren der restlichen 4 Löcher. (Die Genauigkeit ist nicht zu übertreffen!)

Dann vernieten. Nun steht der Beschlag in der Regel noch ziemlich weit über den Tragrand hinaus.

Alle Nägel am richtigen Platz… Beschlag ist symmetrisch, passt!
Vernietet ist auch, also geht’s an den Überstand. 

Der letzte Schritt ist nun den Belag der Größe nach dem Huf genau anzupassen. Dies geschieht indem man die Projektion des Umrisses der Hufkrone auf den überstehenden Belag aufzeichnet! In der Praxis lieber etwas großzügiger arbeiten, denn nacharbeiten kann man immer noch.

Aufzeichnen der Projektion (Erleichtert hinterher das Arbeiten)

Das überstehende Material kann entweder mit der Raspel, oder mit dem Winkelschleifer abgenommen werden.

Anmerkung: Und wieder ist es von Vorteil, wenn das Tier an Elektrogeräte gewohnt ist!

Vorteile – Nachteile

Nun reden wir mal über unsere Erfahrungen. Die Vorteile und Nachteile beziehen sich auf unsere Erfahrungen, unter unseren Reitbedingungen und in unserem Reiteinsatz. Sie können nicht unbedingt verallgemeinert werden, tragen aber sicherlich ein wenig zur Meinungsbildung bei…

Vorteile:

  • leicht (ca. 1/3 des normalen Hufeisens)
  • bei Herdenhaltung minimiertes Verletzungsrisiko (Schläge)
  • Abtretgefahr gleich 0 (klappen weg)
  • Rutschgefahr auf Asphalt gleich 0
  • geringere Rutschgefahr im Gelände als mit Eisen, da Profil
  • Dämpfung der Vibrationen auf hartem Boden
  • ermüdungsfreieres gehen für das Pferd
  • wenn Fachwissen vorhanden, ist Selbstbeschlag möglich
  • kein Aufbrennen und somit Schädigung des Hufs
  • evtl. verlorene Hufeisen (bei zu langer Beschlagsperiode) stellen keine Gefahr für die landw. Maschinen dar!
  • Bodenbelastung beim Reiten geringer (keine so tiefen Einschläge auf Wegen)
  • Wachstum des Hufs und der Trachten wesentlich besser!

Nachteile:

  • höherer Preis des Beschlagmaterials (Preis einer Kunststoffplatte: ~5,- € ; Stand 2003)
  • Schmiede lehnen Kunststoff pauschal ab
  • genaueres Arbeiten nötig, d. h. es dauert länger 

Fazit

Der Kunststoffbeschlag ist der kommende Beschlag!! Meiner Ansicht nach wird es in wenigen Jahren überwiegend Kunststoffbeschläge geben. Die Qualität, die heute die Trottersbeschläge darstellen, war vor wenigen Jahren kaum zu erwarten. Aus unserer Sicht (Reitbetrieb, Herdenhaltung….) ist der Kunststoffbeschlag nicht mehr wegzudenken. Auch die Erfahrungen wie z.B. die Frankreich – Tour untermauern diesen Bericht. 

500km mit diesem Beschlag (Bild von Naddels Huf bei der Ankunft Eurocheval-Offenburg)

Weiterführende Literatur

  • Armin Kasper, Hufkurs für Reiter (Kap. XIII. Das Ende der Eisenzeit) – ISBN 3-440-07619-9
  • H. Ruthe, Der Huf, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1988

Anmerkung des Hausmeisters:

Nur mal so gesagt…
Unsere Pferde machen dies hier gezeigte Prozedere ohne Mucken und Faxen mit. Da wird kein Pferd unruhig! Das ist das Ergebnis unserer langjährigen Bemühungen. 
Wenn uns einer sagt, sein Pferd mache jede Menge Ärger beim Beschlagen, der sollte vielleicht mal nachdenken…
…jedenfalls, wer Fragen hat, oder ein Seminar über diese Thematik bei uns belegen möchte, kann uns jederzeit mailen. 

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