Apropos Heu…

Heu ist Heu…

…oder doch nicht?

Da Eckos eine Heuallergie hatte, haben wir uns mit dem Thema Heu intensiver beschäftigt. Dabei haben wir einiges an Erfahrungen gemacht…

Aber zunächst mal die normale Version…

Normale Version

Wiese wird gemäht, Gras liegengelassen, getrocknet, eingesammelt, zu Büscheln gepresst und auf den Heuboden gestapelt. Bei Bedarf wird es runtergeworfen und verfüttert…

Yep… so war das schon immer…

…aber – fahren sie heute noch gern einen 63er NSU Prinz? Oder spannen sie gar den Landauer an, wenn sie in die Stadt wollen?
Nein? Siehe da, aber ihr Umgang mit Heu, der geht beharrlich an sämtlichen Erkenntnissen der Neuzeit vorbei…

Wir haben festgestellt, daß eine Symbiose aus modernen Untersuchungsmethoden und wiedererlangtem (verlorenem) traditionellem Wissen durchaus zu guten Erfolgen führen kann.

Ach ja, vieles kann man schon mit der eigenen Nase bemerken und ein richtiger Heuboden ist weder schwül noch zu warm!

Was geht denn so alles schief?

Naja, daß es Heu beim Trockenprozess nicht anregnen soll, ist hinlänglich bekannt. Das alleine ist aber zu einfach!

Wir fangen mal beim Mähen an…

Da wird das Mähwerk auf die tiefste Stufe gestellt, gerade so „30mm über Grund“ und dann drauflosgefahren. Schön, man gewinnt ein paar Büschel zusätzlich, aber was passiert denn da wirklich?

  1. Mit ihrem Heu: Nunja, durch die tiefe Stellung des Mähwerks wird mehr Staub aufgewirbelt, den sie ins Heu bekommen und mit verfüttern. Sehen können sie es auch gut an ihrem Heuboden: Fast alles, was im Frühjahr so an Staub auf dem Boden liegt, kommt daher! Das ist aber nur ein Teil davon, den anderen Teil haben ihre Lieblinge schon mitgefressen…
  2. Mit ihrer Wiese: Je kürzer die geschnitten wird, umso weniger Schatten machen die Stoppeln auf dem Boden. Dadurch trocknet dieser schneller aus. In Folge davon wird die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens negativ beeinträchtigt. Der Boden nimmt also schlechter Wasser auf und es erhöht sich folglich die Erosion! Sie machen also langfristig auch ihre Wiese schlechter!
  3. Mit ihren Gerätschaften: Die Standzeit des Mähwerks nimmt ab und auch der Knüpfer in der Ballenpresse wird durch den feinen Staub wie mit einer Polierpaste geschliffen. Der Verschleiß erhöht sich.

Fazit 1: Lieber 8 cm stehen lassen, nicht zu kurz schneiden!

Jaja, ich weiß, es ist nicht ihre Wiese…

…und nicht ihr Maschinenpark!
Mag ja sein, aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende… 

…und machen wir beim Trocknen weiter…

Trocknen, trocknen… ist doch ganz einfach:
Kein Regen = trockenes Heu!
Leider nicht ganz, das Trocknen hat ja mehrere Hintergründe:

  1. Es gibt während des Trocknens gewisse Umwandlungen im Gras, was bedeutet, daß Heu nicht nur trockenes Gras ist, sondern sich zu einem anderen Stoff mit anderen Eigenschaften verändert! 
    Ich sags nochmal: Heu ist kein trockenes Gras, sondern getrocknetes Gras (mit anderen Eigenschaften).
    Wenn man sich jetzt bewußt wird, daß also Gras einen bakteriologischen Prozess durchmacht, dann kann man eine gewisse Empfindlichkeit dieser Prozesse in Bezug auf äußere Einflüsse leicht nachvollziehen!
  2. Während des Trocknens bekommt Heu nicht nur von eventuellem Regen Feuchtigkeit, aondern auch direkt aus der Umgebung. Hat jetzt eine Bodenoberfläche einen gewissen Feuchtigkeitsgehalt, so wird dieser an die Luft abgegeben. Schön! Das passiert auch unterhalb unseres trocknenden Heus! Also bildet sich zwischen unserem liegendem Heu und dem Boden ein feuchtes Mikroklima. Hat man nun noch sehr kurz geschnitten, liegt das Heu dem Boden sehr nahe und kann schlecht durchlüften. Somit wird das Heu, das wir trocknen wollen, ständig von unten mit Feuchtigkeit beaufschlagt. Das können wir prinzipiell zwar nicht ändern, aber wenn sie nicht so kurz geschnitten haben (8 cm stehen lassen, sieh auch etwas weiter oben…), dann kann dort die Luft besser zirkulieren und es wird größtenteils dieses ungute Mikroklima verhindert. Die Gefahr von Pilzbefall wäre damit erheblich gemindert.
  3. Wenn sie glauben, das Heu sei trocken, dann ist es noch lange nicht trocken! Wie sonst könnte es sein, daß viele Leute ihr Heu mit Restfeuchten von weit über zu 13% einfahren. Der Heuboden wird warm, die Feuchtigkeit arbeitet, das Klima auf dem Heuboden ist „tropisch“, der Pilzbefall, wenn auch nicht sichtbar, jedoch unausweichlich! Unserer Erfahrung nach ist es im Sinne der Qualität lohnenswert, die Restfeuchte deutlich unter 13% zu bekommen! Sowas kann man messen. (Bis zu 7% haben wir selbst schon erreicht!) Übrigens: Die Genauigkeit der alten „Handdrehprobe“ ist ungefahr die, als wenn man einen Kalender als Eieruhr benutzt.
    • Auch wenn moderne Verfahren fast alles ermöglichen, wir haben keine Milchwirtschaft mit 120 Milchkühen, sondern Hochleistungstiere, die durchaus im Einzelfall mit ihrem Stoffwechsel bis an ihre biologischen Grenzen vorstoßen können. Da kann man nicht alles, was einer Kuh problemlos gereicht, um gute und viel Milch zu erzeugen, auch einem Pferd hinwerfen. 
    • Außerdem sollte man sich mal ansehen, was alles noch zusätzlich in der Milchwirtschaft an Futteradditiven verwendet wird.
    • Darüber hinaus: Nasses Heu bleibt nasses Heu, auch wenn die heutigen Verfahren die Gefahr für Haus und Hof minimieren, wird doch die Qualität trotzdem nicht so, wie das Pferde eigentlich brauchen!
    • Das mit den Futterzusätzen ist wie mit ESP und ABS bei Autos: Damit überspielt man zwar grundsätzliche Schwächen und Fehler, verhindert diese aber nicht!
  4. Wenn man angeregnetes Heu hat, sollte man es lieber erst anderweitig unterstellen und auf Pilzbefall untersuchen lassen, bevor man sich die Arbeit macht, vereuchtes Heu zu gutem stapeln und letztendlich auch noch zu verfüttern. Viele Pferde reagieren mehr oder weniger stark auf Pilzbefall im Futter, aber eine Diagnose, die auf Pilzbefall im Futter hindeutet, wird ein Tierarzt in den seltensten Fällen stellen. (Das müssen sie ganz alleine rausfinden und mancher einer kennt diese mögliche Ursache nicht einmal)
  5. Selbst wir haben Heu, das nach dem Augenschein vollkommen in Ordnung und gut war, schon beiseite getan, weil es Pilzbefall hatte. Sehen konnten auch wir das nicht, aber auf Grund der Umstände (Historie dieser Charge) war ein Pilzbefall warscheinlich. Bitte nicht falsch verstehen: Jeder normale Mensch hätte dieses Heu ohne einen bösen Gedanken verfüttert, weil es wirklich toll aussah. Umgekehrt hatten wir auch schon Chargen, die nicht so doll aussahen, jedoch trotzdem rundherund in Ordnung waren und jeder Untersuchung standhielten

Fazit 2: Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. Lieber einmal zuviel prüfen lassen. Vor allem am Anfang, bis man etwas Gefühl für die biologischen Mechanismen entwickelt hat. 

…um’s dann einzufahren!

Wie sie ihr Heu stapeln oder ordnen, ist ihre Sache, das muss jeder selbst regeln, aber wir haben uns etwas anderes angeeignet:

  1. Bis in die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts war es durchaus üblich, sein Heu einzusalzen! Dies machen wir auch heute noch. Das Einsalzen ist zwar schon seit 70 Jahren aus den Lehrbüchern verschwunden, weil man dies in unserer hully-gully-super-turbo-automatisierten Welt anscheinend nicht mehr braucht, aber geschadet hat es doch nicht. Und ob ich nun das Salz separat füttere oder mitfüttere ist vom Tier aus gesehen egal. Salz hat aber in manchen Punkten eine hemmende Wirkung und verhindert so manches Problemchen im Heustock…
  2. Da wir im Vorfeld versuchen sehr sauber zu arbeiten, ist unser Heuboden weder stickig, noch feucht oder staubig! Im Gegenteil, bei uns ist en wohlriechend und klimatisch angenehm. Man kann sich dort aufhalten, ohne gleich wieder runterzuwollen.
  3. Selbst Heu vom Vorjahr fällt bei uns beim Öffnen des Ballens fast locker auseinander und riecht auch für menschliche Begriffe gut. Da ist nichts verbacken oder zusammengeklebt. Auch hatten wir noch nie „kochende“ Ballen, wie ich sie anderenorts schon gesehen habe. Die mag man nach dem Öffnen gar nicht richtig anfassen, weil sie heiß sind. (Ursachen dafür liegen im weiter oben gesagten) 

Fazit 3: Wenn dein Heu so gut riecht, daß man selbst reinbeißen möchte und so wohlriechend is, daß man nach einer Nase voll die Wiese vor sich sieht, dann dürfte es auch gut genug für deine Pferde sein! 

Gesamtfazit

Seitdem wir uns diese Zusammenhänge alle bewußt gemacht hatten und versuchen umzusetzen (was auch uns nicht immer ganz gelingt), sind bei unserem Tierbestand die „unerklärlichen“ Erkrankungen nahezu verschwunden. 
Zu dem Nebeneffekt, daß unsere Pferde gutes Futter erhalten kommt noch, daß unsere Tierarztrechnungen seitdem billiger geworden sind!

Außerdem haben wir festgestellt, daß der (per Untersuchung festgestellte) Energiegehalt unseres Heus überdurchschnittlich gut ist und sich auch überdurchschnittlich lange hält! Das sollte doch auch ihnen einen oder zwei Gedanken wert sein? 

Noch ein paar erläuternde Worte zum Schluß…

Warum schreibt der Hausmeister, seines Zeichens reitmäßiger Nullinger etwas über’s Heu?

Das kam so:

Da ich öfters auf der Ranch bin, kenne ich so ziemlich jede Tätigkeit hier am Hof. Begleitet habe Dietmar bei schon fast allen Tätigkeiten. Wenn ihr also mal Dietmar schuften seht und so’n dicker Typ mit beiden Händen in der Hosentasche steht daneben, dann bin das ich!
So, aber nu weiter: Dietmar und ich haben schon oft über’s Futter, Heu, Lagerung etc. gesprochen. Auch auf dem Heuboden war ich schon öfters. Vor allem: Ich kenne auch andere Heuböden und weiß, wie die aussehen und riechen, kurz, wie wohl man sich dort körperlich fühlt. Und dann nimmt man Platz und läßt sich Zusammenhänge erklären. Ich als Techniker muß in vielen Belangen in ja/nein oder schwarz/weiß denken. Dietmar machte mir erstmal klar, daß auch entschiedenes „vielleicht“ durchaus geduldet werden kann. So, wie etwas immer noch besser sein kann, so kann auch etwas immer noch schlechter sein. „Und selbst wenn Du im Keller sitzt, es gibt mit Garantie noch ein Stockwerk unter dir!“

Jedenfalls kam ich auf die Idee, unsere Diskussion und Erfahrungsaustausch auch der restlichen Welt zugänglich zu machen. Erstmal, um zu zeigen, daß die Addition einiger kleiner belangloser Effekte durchaus eine destruktive Wechselwirkung erzeugen kann. Ein Punkt alleine macht das Kraut nicht fett, aber die mit wachsender Routine zunehmende Gewöhnung an gewisse Tatsachen lassen einen das Bewusstsein daran verlieren und irgendwann erscheint sogar die eigentliche Ausnahme als normal.

Ich möchte diesen Artikel auch nicht als der Weisheit letzter Schluß stehen lassen, viel mehr denke ich daran, daß sich der eine oder andere hinreissen lässt, sich selbst einmal zu hinterfragen. Vieleicht stellt man ja fest, wie toll man das selber macht, vieleicht aber auch bekommt man hier einen Ansatzpunkt geboten, wie man sich selbst verbessern kann.

Wie gesagt, es führen viele Wege nach Rom, aber dieser hier ist geprüft und gangbar…

Der Hausmeister


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